Was bringt uns dazu zu lieben? Ist es ein rudimentäres Gefühl? Etwas Abstraktes?
Ich glaube nicht. Eltern zum Beispiel, wenn sie denn das Kind wirklich gewollt haben, werden es immer lieben, egal was passiert.
Schwieriger wird es, wenn man jemand kennen lernt. Ja, ich glaube an Liebe auf den ersten „Kontakt“. Ich betone dies, weil es unerheblich ist ob man jemanden sieht, liest, hört oder fühlt. Das wäre auch ohne Sinn, da es z. B. Blinde, Taube und Stumme Menschen gibt die sich verlieben. Irgendein Reiz muss ja trotzdem dazu geführt haben, dass man zusammenkommt.
Was macht diese Liebe am Anfang aus? Neugier? Erotik? Zu aller Letzt denke ich ist es Pragmatismus. Natürlich gibt es Menschen, die mit anderen Menschen zusammen sein wollen um finanziell abgesichert zu sein. Oder jemand hat das Geld und der andere das Aussehen. Zusammen ist man dann halt ein Team. Aber ist das Liebe? Ich denke jeder würde das verneinen.
Was aber macht wirkliche Liebe aus uns?
Man erzählt sich „Geheimnisse“, Dinge aus seinem früheren Leben, evtl. kotzt man sich auch über seine früheren Partner aus. All das hat aber etwas mit Vertrauen zu tun und nichts mit Liebe. Wenn man sich in jemanden verliebt der schon Kinder aus einer anderen Beziehung hat, dann IST man automatisch auch für diese Kids verantwortlich, selbst wenn das gar nichts mit den eigenen Ambitionen zu tun hat.
Generell hat Liebe für mich drei Stadien. Zuerst die Liebe ohne jede Bedingung. Auch wenn Dein Auserwählter der grösste Ar*** der Welt ist, Du bist für sie/ ihn da. Dann kommt das Stadium des wirklichen Kennenlernens, Familie, Freunde, Kinder. Das ist eigentlich das gefährlichste für jede Beziehung, denn wenn einer von Beiden hier nicht das Gefühl hat das es passt, war es das. Und nach diesem Stadium wird man entweder wirkliche Partner oder Lebensabschnittsgefährten. Das hängt aber auch damit zusammen, ob man den Willen hat gemeinsam Probleme zu lösen, oder ob sich einer der Partner irgendwann zurücklehnt, weil ja der Andere alle macht.
Übel wird es dann, wenn einem von Beiden etwas unwiderruflich Schlimmes passiert, und trotz aller Bemühungen kann man ihn nicht davon überzeugen, dass man alles dafür tun würde, die Trauer zu lindern oder Aufgaben abzunehmen, um sich auf die Verarbeitung der Trauer zu konzentrieren. Wenn die Meinung alter Freunde mehr zählen, als die des Partners. Wenn nun auch noch der vorher „starke“ Part des Teams einen Schicksalsschlag erleidet, der ihn selbst komplett aus der Bahn wirft, ist es meistens vorbei.
Was passiert?
Alle Dinge, über die man vorher auf Grund der Liebe hinweggesehen hat, kommen nun kumuliert. Man macht sich Vorwürfe über längst vergangen geglaubte Probleme. Man ist neidisch, z. B. hat einer keine Eltern mehr, die Eltern des Partners leben noch. Man denkt der Partner würde diese Schwäche ausnutzen, z. B. aus finanziellen Interessen.
Auf die Idee sich enger zu binden kommt in dieser Situation kaum jemand. Man könnte ja sagen, „Hey lass uns doch mehr Zeit mit Deinen Eltern verbringen, ich weiss wie schnell es vorbei sein kann!“ Stattdessen kapselt man sich lieber ab und trauert den Zeiten mit Schönheit, Jugend und Spass hinterher. Was passiert? Genau, jeder gemeinsame Abend ist eine Gratwanderung zwischen Gemeinsamkeit und Ablehnung.
Was ich damit sagen will?
Ich kenne so viele wertvolle Menschen, die aus irgendwelchen Gründen alleine sind. In ihrem Leben haben sie manchmal egoistische oder einfach falsche Entscheidungen getroffen. Wurde ihr Leben dadurch besser? Nur weil man einmal die „Hosen“ anhaben wollte und seinen Partner so verletzt hat, dass es quasi kein „Zurück“ gab?
Ich denke jeder von uns hat sich einmal die Frage gestellt „Warum habe ich das getan?“ Und damit meine ich nicht als Kind, da sind solche Dinge sogar erwünscht, da man ohne Fehler nichts lernt.
Aber warum fällt es Erwachsenen so schwer Fehler zuzugeben? Warum verletzt man lieber seinen Partner, von dem man genau weiss wie er reagieren wird, mit den ständig gleichen Vorwürfen? Warum hilft man nicht lieber dabei, auf sanfte Weise, ein Verhalten zu ändern? Würde man versuchen mit dem Feuer zu sprechen und zu sagen „Hey, wenn ich aber jetzt Benzin auf Dich schütte bleibst Du ruhig?“ Oder zu drohen „Hey, wenn Du nicht mein Steak so heiss machst wie ich es will hole ich einen Eimer Wasser?“
Alles was ich im Moment sehe, egal ob in meinem Umfeld, in der Politik und Wirtschaft, ist einzig und alleine geprägt von Egoismus. Als hätten wir alle vergessen das Menschen Herdentiere sind. Ein Einziger von uns ist schwach. Gemeinsam erst erreichen wir Ziele, die alleine nie möglich gewesen wären. Schade, dass auf diesem Weg der „Evolution“ immer mit „Ich“ argumentiert wird. Schauen wir mal wer am Ende übrig bleibt und glücklicher ist.
Fazit:
Es gibt viele Wege „aufzusteigen“ oder ein Ziel zu erreichen. Mein Ziel wird immer sein, etwas gemeinsam zu erreichen. Denn mich über etwas alleine zu freuen, mein Gott, das tue ich schon am Morgen, wenn ich es schaffe unfallfrei aufzustehen. Aber es fällt mir wesentlich leichter und bringt mich auch glücklich in den Tag, wenn ich einen Partner im Bett neben mir noch ruhig und friedlich schlafen sehe, oder selbst, wenn ich ein Kind penetrant fragen höre „Warum? Warum?“
Sofern jetzt jemand glaubt ich hätte ein Problem, vergesst es. Vielleicht ist es Russland, die Kälte der Schnee, Melancholie, Alkohol oder etwas, dass schon lange in mir war.
Ich verweise in diesem Zusammenhang gerne auch auf „Die Reise nach Petuschki“. Manchmal kann ich mich ganz gut in Wenedikt Jerofejew hineinversetzen. Eine persönliche Rezension finden Sie hier unter Kunst und Kultur. Und sogar den Film auf Russisch mit englischen Untertiteln, ist das nichts? 🙂
Uwe Schüller, geschrieben in Nischni Nowgorod, 05.01.2017